02.04.2020
Lockdown Stories
miteinander und in sich verschachtelte Menschen und Geschichten
10×10 Dialogfetzen
16.-30.3.2020
by ananea
Europa im Frühjahr 2020. Eine Pandemie ist aus Asien in die Nachbarschaft gerollt und hat das Netz um
die persönliche Freiheit der BürgerInnen im Verlauf der weltweiten Ausbreitung immer enger gewickelt.
Nach einer weiteren Mutation des Virus hat die EU – Regierung (und England) in nie da gewesener
Einigkeit beschlossen, dass ab sofort niemand mehr den Raum des aktuellen Aufenthalts verlassen darf.
Man munkelt, dass es währenddessen zu einer „Sonderaktion“ kommen soll, doch Informationen werden
bewusst zurückgehalten. Auch der genaue Zeitpunkt des Lockdowns wird nicht offiziell kommuniziert,
damit das unbelehrt weitergrillende Volk sich schon vorher in freiwillige Quarantäne begibt. Manche
Menschen, von der plötzlichen Maßnahme überrascht, treffen zufällig aufeinander und werden zur
Schicksalsgemeinschaft, andere haben sich auf genau diese Situation schon seit Wochen hamsterkaufend
vorbereitet. Wieder andere sind zufällig für die Zwangsquarantäne nicht dort, wo sie geplant hatten, zu
sein. Eine näherrückende Distopie.
1. In der Kneipe
5 Personen in einer Kneipe: die verantwortliche Person, der Barmensch, die beiden
ModeratorInnen, der Gast.
Eine Person betritt den Raum, nachdem sie die klinkenlose Eisentür der Eckkneipe mühevoll
aufgestemmt hat. Sie trägt einen Regenmantel, trotz des Frühlingswetters Handschuhe und eine
etwas zu gestylte Frisur. Die ModeratorInnen bauen gerade die Kasse für die angekündigte
Kleinkunstveranstaltung auf, während der Barmensch Gläser poliert.
„Bin ich der erste Gast?“
„Heyyyy…..warst du beim Frisör? Ja, sind noch n bißchen am aufbauen…“
„Ach deshalb ging die Tür so schlecht auf (lacht). Neee, jetzt doch nicht mehr, hab mich nur
heute mal zur Abwechslung gestylt, dann fass ich mir nicht so oft ins Gesicht“
„Hi – du bist ja heut so gelb…“
„Kann man besser desinfizieren.“
(Eine Sirene ertönt, auf der Straße vermutlich übertrieben laut, aber durch die Eisentür und
geschlossenen Fensterläden abgedämpft.
Die verantwortliche Person, aus dem Hinterzimmer heraneilend:)
„Scheiße scheiße scheiße, das ist der Lockdown, sie hat es durchgezogen, es geht los.“
„Na super, da hab ich einmal kein Buch dabei…“
„Jemand Bier?“
2. Im Tegut Frankfurter Straße
Der Kassierer, der Typ aus der WG gegenüber, die Nachbarin, der Hund.
Nebenraum eines kleineren Supermarkts, Schwerpunkt Biolebensmittel, mit partiell leer
gekauften Regalen. Der Typ aus der WG reicht dem Kassierer sein Leergut, vor allem Bierflaschen
und eine Kiste Mineralwasser Medium. Die Nachbarin, eine Großpackung Kleintierstreu unter
dem Arm, ruft von der Kasse:
„Wisst ihr, was da los ist? Die rennen alle.“
(Sehr laute Sirene ertönt. Durch die Scheiben sieht man Menschen hektisch in Häusern
verschwinden. Ein Hund ist vor dem Laden angeleint und presst sich ängstlich an die Wand.)
„Ist das deiner?“
„Nein, aber der kann da doch nicht bleiben…“
„Dann holen wir ihn jetzt.“
„Ihr könnt da jetzt nicht raus, es geht gleich los…und außerdem ist die jetzt schon verriegelt.“
„Bitte…du hast einen Schlüssel, oder?“
(Der Kassierer holt den Schlüssel, der Typ schneidet die Leine durch und die Nachbarin schnappt
sich den Hund. Sie sitzen innen an die Scheibe gelehnt und streicheln ihn, während die
Notbeleuchtung des Supermarkts angeht und die Straßenbeleuchtung aus.)
„Die Welt geht unter und Du bringst Pfand zurück??“
„Hab noch Paper gebraucht.“
„Klopapier ist übrigens aus.“
Die vielseitige Lübecker Sopranistin Anna Nesyba studierte an der Hochschule für Musik Würzburg auch Schulmusik, Violine und Barockvioline. Momentan wohnt sie in Kassel und arbeitet am Staatstheater Kassel sowie am Institut für Musik der Universität Kassel.
Als Ananea schreibt sie Songs, Gedichte und Geschichten. Die Covid-19-Krise bietet da zahlreiche Anknüpfungspunkte und Inspirationsquellen…
Zugabe!
Möchtest du die restlichen Lockdown-Stories auch lesen?
Du bekommst alle zehn zum umweltfreundlichen PDF-Download in unserem Spenden-Shop.
-
10,00 €