Ist das Kunst oder kann das weg?

„Die haben es verstanden! Auf so eine Weitsicht darf man in Hessen natürlich nicht hoffen“, ärgerte ich mich schon wieder, während ich den letzten Koffer nach unten trug…

Nach der Krise wird es in Baden-Württemberg durch diese kluge und weitsichtige Entscheidung die kleinen Live-Clubs mit kleinen Konzerten, eine freie Kunstszene und private Theaterkultur „noch geben“, weil die dort überleben werden.

Das ganze Bundesland wird dann zukünftig einfach nach Baden-Württemberg fahren, um dort in den Genuss einer einzigartigen und völlig system-unrelevanten Kleinkunst zu kommen, die man in Hessen und vielen anderen Bundesländern einfach hatte Aussterben lassen!

Denn in Baden-Württemberg erhalten Künstlerinnen und Künstler tatsächlich eine „Sofort Hilfe“ von 1180€ pro Monat! Schau an!
Also so, wie es ursprünglich mal landesweit gedacht und in den Medien „lang und schmutzig“ propagiert wurde!

Wenn Du vorher also z.B. 3000€ monatlich in der Hochsaison im Sommer als Künstler/in verdient hast (womit Du Dir bisher immer ein Polster für die schlechteren Monate angespart hattest), sind das 33% Deines bisherigen Einkommens!

Nur mal so zum Vergleich:

– Das ist „ein Drittel“ von dem, was jeder Beamte aktuell in der Krise weiterhin bekommt!
– Es ist „die Hälfte“ von dem, was jeder Angestellte in Kurzarbeit gerade bekommt!
– Und das ist „exakt das“, was jeder Zahnarzt (Dank Jens Spahn) neuerdings als Verdienstausfall durch Corona auf sein bestehendes Einkommen noch „oben drauf“ bekommt!

(Es sei ihnen allen gegönnt!!!)

Für Künstler/innen allerdings „reicht ja auch Hartz IV“, hatte man auf die Proteste hin stolz und „von oben herab“ argumentiert! 
(Das wären mit 433€, um im Beispiel oben zu bleiben, dann ganze 15% Deines bisherigen Einkommens!)

Bei dieser tollen Idee hatte man nur schlicht und einfach übersehen, dass es in der Praxis in den allermeisten Fällen durch die Job-Center leider noch nicht mal ausgezahlt wird an eben genau diese Künstler/innen!

Zudem zeigen Sie mir doch mal bitte eine Bank, die einem „freiberuflichen Künstler“, der eine zeitlang Hartz IV bezogen hat, später noch mal einen Kredit geben würde!? …Ich meine ja nur, falls die evtl. auch mal Haus, Hof und oder gar Kinder planen sollten…

In der Realität werden jetzt gerade Altersvorsorgen aufgebraucht!
Oder es übernehmen (im besten Fall) die Partner/innen genau dieser Künstler/innen z.B. mit Ihrem 60% Kurzarbeitergeld den gesamten Lebensunterhalt für zwei Personen oder auch die gesamte Familie sowie die Krankenkassenbeiträge, die Altersvorsorge, die Miete – und nicht zu vergessen, so etwas profanes wie „Essen“!

Denn auch wenn es „brotlose Kunst“ heißt , Frau Grütters (es mag insbesondere für Sie sehr überraschend sein), so gibt es doch einige Künstler/innen, die trotz ihrer Kunst und dem „freiwilligen und selbstlosen kreativen Wirken“ ab und zu auch mal etwas Essen!

Und vielleicht haben Sie, Jens Spahn, bei Ihrer sorgsamen Sicht auf einzelne Berufsgruppen einfach nur übersehen, dass wir (sowie übrigens auch der gesamte Sektor der Gastronomie, Hotellerie oder der Veranstaltungsbereich) im Unterschied zu Zahnärzten aufgrund des Arbeitsverbotes der Bundesregierung aktuell „keinen einzigen Cent“ einnehmen „dürfen“ und mit Stornierungen nur so überhäuft werden, die übrigens – ganz nebenbei – bei uns nicht nur die nächsten zwei bis drei Monate, sondern das gesamte Jahr 2020 betreffen!!!

Es ist vielleicht etwas abwegig, aber wie wäre es denn, wenn wir einfach „alle Menschen“ durch die Krise bringen würden, genau wie wir ja auch versuchen „alle Menschen“ in den Krankenhäusern zu versorgen!? 

Ansonsten hätte ich an dieser Stelle zu der Frage „Wer wird (zuerst) versorgt?“ einfach noch den pragmatischen Vorschlag, dass wir Künstler/innen, Gastronomen und Solo-Selbständige in der medizinischen Versorgung auch einfach komplett außen vor lassen… denn die überleben die Krise ja zum Großteil eh nicht!

©2020 Corona Stories von Lucy Hobrecht und Romana Reiff