Andreas Gebhardt über „Gefährliches Spiel“ von Alberto Moravia
Matteo, verarmter Adel, ist mit Maria Louisa verheiratet (reicher Adel). Matteo hat aber schon länger ein Verhältnis mit Andreina (falscher Adel). Wegen dieser Affäre hasst Maria Louisa ihren Gatten, will ihn eifersüchtig machen und versucht, mit Pietro anzubändeln. Pietro wiederum ist verlobt mit Sofia, Matteos Schwester. Weil alle von Maria Louisas Reichtum abhängig sind, will Sofia, dass Matteo und Maria Louisa wieder zusammenkommen, denn das sichert auch ihre Vorteile. Leider verliebt sich auch Pietro in Andreina, er glaubt es jedenfalls und löst die Verlobung mit Sofia. Andreina, Mitte 20, wurde zehn Jahre zuvor, als Jugendliche, von Stefano verführt und wohl sogar vergewaltigt. Stefano nun ist der Bruder von Maria Louisa. Er ist krank, siech und verarmt, aber immer noch lüstern wie eh und je. Stefano versucht es abermals bei Andreina. Diese hasst nicht nur Stefano, sondern auch seine Schwester Maria Louisa. Den willensschwachen, in sie verliebten Pietro verachtet sie…
Alberto Moravias zweiter Roman „Gefährliches Spiel“ (ital.: Le ambizioni sbagliate“) erschien 1935 in Italien und 1959 in deutscher Übersetzung bei Rowohlt, wo er bis in die 1990er-Jahre immer wieder aufgelegt wurde.
Moravia (1907-1990) schildert die früh verführte Andreina als eiskalt berechnenden und zugleich unberechenbaren Rachengel. Schön, intelligent, sinnlich, melancholisch, undurchdringlich. Ein Mysterium umgibt diese Frau. Letztlich sind ihr alle Männer selbstsüchtig verfallen und irgendwie stehen sie alle als Trottel dar. Liebe ist hier ohnehin ein Randphänomen. Nur der unschuldige 18jährige Carlino, Andreinas Bruder, liebt wirklich. Er erliegt der Verführung der mehr als 20 Jahre älteren Maria Louisa, die ihn (wie Pietro) für ihr Eifersuchtsränkespiel missbraucht und dann zum Teufel jagt. Nein, es geht hier nicht um Liebe, sondern immer nur um Vorteile, Karrieren, Macht, Geld, Lust, Sex, gesellschaftliches Ansehen und Einfluss. Aber wer ist das eigentliche Opfer? Ist es Maria Louisa? Oder ist es nicht doch eher Andreina selbst, die früh Verführte, Ausgenutzte und Abservierte, deren moralischer Kompass früh zerstört wurde, was auch ihr Leben ruinierte?
Moravia zählt zweifellos zu den größten und erfolgreichsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Ein Jammer, dass es keine aktuelle Werkausgabe gibt. Einige seiner Romane und Erzählungen sind bei Wagenbach verlegt. Alles andere – wie auch „gefährliches Spiel“ – ist leider nur noch antiquarisch z.B. über booklooker.de oder zvab.com zu bekommen, zum Glück recht preiswert. Liebe Leute bei Rowohlt: Legt bitte Moravia wieder neu auf!
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