25.04.2020
Kassel liest
Ab sofort präsentiert euch das Literaturhaus Nordhessen e.V. exklusiv auf der Virtuellen Bühne Kassel Buchrezensionen!
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Andreas Gebhardt macht heute den Anfang mit seinem Urteil zu Jane Austens „Verstand und Gefühl“.
Verstand und Gewühl
Jane Austens Roman „Verstand und Gefühl“, besprochen von Andreas Gebhardt
Die ideale Corona-Lektüre ist „Verstand und Gefühl“ von Jane Austen. Jedes Mal, wenn ich den 1811 erschienenen Roman zur Hand nehme, schlafe ich nach spätestens fünf Seiten ein. Super! Wer schläft, kann sich nicht anstecken. Das erste Kapitel habe ich, um alles zu verstehen, vier Mal gelesen und darüber wohl rund sechs Stunden geschlafen.
Nach und nach habe ich dann doch begriffen, dass die drei Miss Dashwood – Elinor, Marianne und Margaret – die Stiefschwestern von Sir John Dashwood und seiner zickigen Gattin Mrs. John Dashwood, die eigentlich Fanny heißt, was in einem Nebensatz erwähnt wird, sind, und dass diese drei Miss Dashwood der Ehe des bereits verstorbenen Mr. Henry Dashwood und der noch lebenden Mrs. Henry Dashwood auf Gut Norland entsprangen, wobei noch zu erwähnen wäre, dass zu Mrs. John Dashwood (Fanny) ein Bruder namens Edward Ferrars gehört, der sich schon anfangs in die eher rationale Elinor verliebt, während ihre empfindsame Schwester Marianne wenige Seiten später unsterblich dem schönen Galan Mr. John Willoughby verfällt. Leider ist er ein Schuft, wie Oberst Brandon, der ein Auge auf Marianne Dashwood geworfen hat, enthüllen wird, wobei Ferrars, von dem Elinor ja annahm, er würde sie lieben, eigentlich bereits mit der hübschen aber aufgedrehten Schnepfe Miss Lucie Steele heimlich verlobt ist, was die Sache nicht einfacher macht. Wer kriegt wen, lautet also die schlichte Frage in diesem scheinbar unentwirrbaren emotionalen Personen-Gewühl.
Um nicht den Überblick zu verlieren, habe ich einen zwei Quadratmeter großen Lageplan angefertigt, der aussieht wie die Gebrauchsanweisung eines Atomkraftwerks. Und er ist noch nicht fertig, denn ich bin erst auf Seite 225 von 373 angelangt. Ironische Spitzen wie diese entschädigen jedoch für alle Strapazen der Unübersichtlichkeit: „Lady Middleton war ebenso angetan von Mrs. Dashwood. Beide hatten die kaltblütige Selbstsucht, durch die sie anziehend aufeinander wirkten, und sie waren sich in ihrer oberflächlichen Vorliebe für Etikette und ihrem allgemeinen Mangel an Intelligenz gegenseitig sympathisch.“ (Aufgepasst: Gemeint ist die intrigante Mrs. John Dashwood (Fanny), nicht zu verwechseln mit der herzensguten Miss Elinor Dashwood!). Rosige Aussichten: Wenn ich das Buch durchhabe, dürfte die Pandemie vorüber und ich sehr ausgeschlafen sein.
Jane Austens Roman „Verstand und Gefühl“ („Sense and Sensibility“) ist in mehreren Übersetzungen zu haben. Ich lese ihn in der Übertragung von Ursula und Christian Grawe (Originalausgabe bei Reclam). Die abgebildete Lizenzausgabe erschien 1996 zur Verfilmung mit Emma Thompson und Kate Winslett.
Und noch etwas: Der Roman erinnert mich immer hieran: